Haus ohne Tür (Anton Rosenstein)
Haus ohne Tür
von Anton Rosenstein, Q12 im Schuljahr 2020/2021
Als ich eines Tages in der Stadt spazierenging, um meinen Kopf freizubekommen, entdeckte ich am Straßenrand ein rotes Backsteinhaus. Es zog mich dorthin, denn es passte mit seinen alten Ziegeln und den geschwungenen Simsen nicht in die moderne Häuserreihe. Ich war schon ganz nahe, da bemerkte ich, dass das Haus keine Tür hatte. Verwundert blieb ich einige Zeit stehen, umrundete das Gebäude und spähte nach einem Eingang, doch konnte keinen finden. Ich blieb hartnäckig, kreiste erneut um das Haus, erst da fiel es mir auf, wie hoch die Fenster saßen. Das machte mich ganz unruhig: „Es muss doch einen Eingang geben“, dachte ich mir, „wem nützt ein Haus ohne Tür?“ Mit den Ballen meiner Fäuste begann ich langsam an die Mauer zu klopfen, aber auf der anderen Seite blieb es still. Ich fing an stärker und immer stärker zu schlagen, bis schon Blut an meinen Knöcheln klebte. Ich wurde wütend, hämmerte mit den Handflächen gegen die Backsteinwand und schrie. Dann hielt ich inne, stellte mich unter eines der Fenster, rief nach oben und wartete, doch es geschah weiterhin nichts. Da packte mich endgültig der Zorn, ich versuchte zu einem der Fenster hinaufzuklettern, ich krallte mich mit den Fingerspitzen in die sich bietenden Rillen des Gemäuers und zog mich hoch. Ich konnte gerade so hineinblicken, da sah ich ein Mädchen, auf dem Bauch liegend und sein Gesicht ans Fenster pressend. Es hatte blonde Zöpfe und grinste mich an. Ich verlor den Halt und sprang herunter. Ohne zurückzublicken, ging ich nach Hause, beschämt von dem Gedanken, ein Haus ohne Tür betreten haben zu wollen.
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