Kulturschule Reuchlin-Gymnasium

Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo mit Vertretern des Reuchlin-Gymnasiums in Ingolstadt. Auszeichnungsveranstaltung Kulturschule in Bayern 28.10.2022 in der Isarphilharmonie in München. Foto: Tobias Hase / stmuk

„Die verborgenen Schätze zu heben, das ist schön, wenn das gelingt.“

Das Reuchlin-Gymnasium wird 1. Kulturgymnasium Bayerns

 

Über drei Jahre ist es inzwischen her, dass im Direktorat des Reuchlin-Gymnasiums das Telefon klingelte und das Kultusministerium am anderen Ende der Leitung war: Die Schule sei ausgewählt, ihr bereits bis nach München bekanntes künstlerisch-kulturelles Profil weiter zu schärfen und „Kulturschule in Bayern“ zu werden. Am 28. Oktober wurde nun im Saal X der Isarphilharmonie dieses Pilotprojekt erfolgreich abgeschlossen: Aus den Händen von Kultusminister Michael Piazolo nahm die Reuchlin-Delegation die Zertifizierungsurkunde sowie eine Plakette entgegen – mit einer Besonderheit: Unter den insgesamt neun ausgezeichneten Kulturschulen ist das Reuchlin das einzige bayerische Gymnasium, das im Moment diesen Titel tragen darf.

 

Schwarzlicht, Akzente in Neonfarben, raumfüllende Skulpturen und in Mikrofone gesprochene Assoziationen Stichwort „Kulturschule“, die die Kulturlotsinnen und -lotsen zuvor unter den Wartenden gesammelt hatten, ließen die Gäste sofort eintauchen in eine aufregende, künstlerisch aufgeladene Atmosphäre. „Glück auf!“, rief Markus Piduhn von der Stiftung Mercator, einer der tragenden Säulen des Projekts, den neun Schulen zu. Diese hätten die finanziellen Mittel ideal eingesetzt und der Pandemie trotzend originelle Wege beschritten. Dann hieß es „Film ab!“ und Theaterkinder sowie die Jazzletics des Reuchlin-Gymnasiums hatten einen Auftritt auf der Leinwand. Denn auch in Ingolstadts Kulturhalle P3 waren im Sommer Aufnahmen für jenen Imagefilm entstanden, mit dem im Herbst 2023 das Kulturschulen-Projekt werbewirksam in seine zweite Runde starten soll.

 

Immer drei Schulen hintereinander bat Kultusminister Michael Piazolo zur Zertifizierung auf die Bühne – dazwischen gab es musikalische Einlagen und eine Festrede von Prof. Dr. Eckart Liebau. „Die verborgenen Schätze zu heben, das ist schön, wenn das gelingt.“ Dieses märchenhaft anmutende Bild legte der Vorsitzende des Rates für Kulturelle Bildung als roten Faden durch sein Plädoyer für eine wahrnehmende, gestaltende und reflektierende Begegnung mit den Künsten. Die freie Teilhabe am kulturellen Leben sei ein Menschenrecht, so Liebau, doch es brauche gerade in Bildungskontexten Konzepte, um jene verborgenen Schätze zu finden und sichtbar zu machen. Kulturschulen seien solche Orte, an denen man wisse, dass es keine Sicherheiten gibt, dass man nur Gelegenheiten schaffen kann. „Mit Überraschungen darf und muss man also immer rechnen“, ergänzte Liebau, und das mache sie jedes Mal auf ein Neues so spannend – diese Auseinandersetzung von Kindern und Jugendlichen mit den Künsten, den komplexesten Formen menschlicher Gestaltung und Wahrnehmung.

 

Von Erfahrungen mit nicht-linearem Denken sprach auch Ministerialrätin Birgit Huber, die mit zwei Jugendlichen den Festakt moderierte. An Kulturschulen könnten Mehrdeutigkeiten ausgehalten und unterschiedlichste Potentiale geweckt werden. Kultusminister Piazolo diagnostizierte für Bayern keinen Bildungsnotstand, sondern das Gegenteil: einen Bildungsreichtum für die 1,86 Millionen Schülerinnen und Schüler. Welche Schätze die jungen Menschen an den neun Kulturschulen zusätzlich heben dürfen, erlebten die Gäste in Bildern und Worten: Vor jeder Laudatio zeigte eine Fotocollage die Vielfalt des bewusst weit gefassten Kulturbegriffs an den Schulen. Sicher nicht zufällig verwies Piazolo auf den Wert humanistischer Bildung, wich immer wieder launig vom Skript ab, um mit den Kindern und Jugendlichen direkt auf der Bühne ins Gespräch zu kommen. Bevor die Reuchlin-Delegation zusammen mit ihm Aufstellung für das Pressefoto nahm, hatte der Minister neben vielem anderen die Möglichkeit der frühen künstlerischen Profilbildung an der Ingolstädter Schule gelobt.

 

In der Tat kann man sich schon beim Übertritt ans Reuchlin-Gymnasium entscheiden, ob man Teil einer Chor- oder Theaterklasse werden möchte. Aber das ist nur der Anfang: Der individuelle Entwicklungsplan „Kulturschule Reuchlin-Gymnasium“, den das Ministerium für 2022/23 genehmigt hat und finanziell großzügig unterstützen wird, sieht wieder das Lernen an außerschulischen Orten, projektorientiertes Arbeiten und vielfältige Kooperationen vor – von der Grundschule Auf der Schanz bis zur Universität Bayreuth. Beim Stichwort Digitale Bildung stehen die Kompetenzbereiche Produzieren und Präsentieren im Vordergrund – und schon lange werden die Potentiale kultureller Bildung nicht mehr nur in den klassischen künstlerischen Fächern ausgeschöpft. Der Schulleitung ist außerdem eine Kultur der Wertschätzung ein Anliegen – das Reuchlin, so Bärbel Kößler-Finkenzeller, sei eine kleine Schule, an der man einander persönlich kenne und achte. „Die verborgenen Schätze zu heben, das ist schön, wenn das gelingt.“ An einer Kulturschule wie dem Reuchlin ist das der Fall.

 

Christian Albert

Auftritt des Chors aller Kulturschulen. Auszeichnungsveranstaltung Kulturschule in Bayern 28.10.2022 in der Isarphilharmonie in München. Foto: Tobias Hase / stmuk

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