Die Beschäftigung mit Einzelschicksalen macht den Unterschied
„Move on and educate!“ Diesen Wunsch äußerte Helen Dimson aus England bei ihrem Besuch des Reuchlin-Gymnasiums am 13. Oktober 2022 im Gespräch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Schülerakademiekurses „Erinnerungskultur vor Ort“. Aber wie lässt sich Bildung zum Thema Erinnerungskultur ansprechend vermitteln?
Über die ganze Blockveranstaltung am 13. Oktober hinweg beschäftigte sich der Kurs mit Schülern aus fünf Schulen mit genau diesen Fragen. Verschiedene Formen des Erinnerns an die Opfer des Holocaust wurden genauer betrachtet.
Zu Beginn wurde gemeinsam der Schülerclip „Wo sind die Huberts? Wie erinnern wir uns?“ angesehen, der bereits verschiedene Formen der Erinnerung aufzeigte. Beispielsweise die Stolpersteine. Für und wider dieses Erinnerungsformats wurden im Film besprochen. Anschließend begaben sich die Kursteilnehmer:innen bei einem gemeinsamen Erinnerungsrundgang, geführt von Nikita Bachmann, Lauren Auf dem Berge und Antonia Weigel – alle aus der 10. Jahrgangsstufe des Reuchlin-Gymnasiums - selbst auf die Spuren der jüdischen Familien in Ingolstadt. Dabei wurden nicht nur die einstigen Wohnorte der ehemaligen jüdischen Schüler gezeigt, es wurden auch die verschiedenen Erinnerungsformate, wie z.B. Erinnerungszeichen an der Hauswand, Stolpersteine auf dem Gehsteig, die blauen Stelen sowie die neuen Gedenkschilder an den Stangen unterhalb von Verkehrsschildern vor Ort genauer betrachtet.
Am Nachmittag stießen dann auch Helen und ihr Ehemann Elroy Dimson zur Gruppe hinzu. Als Tochter des ehemaligen Reuchlinschülers Max Sonn, ein Holocaust-Überlebender, welchem es gelang nach Großbritannien vor den Nationalsozialisten zu flüchten, erzählte Helen über die Schulzeit ihres Vaters, die Flucht ihrer Eltern und ihr weiteres Leben in England. In der darauffolgenden Fragerunde fand ein reger Austausch über die Erinnerungskultur, den bis heute anhaltenden Kampf gegen Antisemitismus und den Umgang der Nachfolgegenerationen mit dem Holocaust statt.
Bereits am 6. September 2022 waren einige Schülerinnen und Schüler, ehemalige Teilnehmerinnen des P-Seminars Geschichte 2019-21 und Lehrkräfte im Rahmen eines ähnlichen Zusammentreffens in der Schule zusammengekommen. Auch bei diesem Besuch der US-Amerikanerin Charlotte Janis, Tochter des ehemaligen jüdischen Reuchlinschülers Kurt Hermann, wurde die Geschichte ihrer Eltern unvergesslich und lebendig weitergegeben.
Für Helen Dimson ist es ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, dass junge Menschen sich mit der Geschichte befassen und dabei nicht nur über die verschiedenen Opfergruppen sprechen, sondern sich mit einzelnen Personen und deren Schicksalen auseinandersetzen, persönliche Geschichten erzählen und erzählt bekommen. Das Fazit der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer ist klar: persönliche Bezüge vermitteln die Geschichte viel emotionaler und nahbarer als jedes Geschichtsbuch es könnte. Nachkommen zu treffen und Einzelschicksale nachzuzeichnen ist das, was Geschichte verbindlich macht.
Antonia Weigel, 10c
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