Erinnerung an Novemberpogrome in Ingolstadt
Engagierte junge Menschen aus fünf Ingolstädter und Münchener Gymnasien, die aktuell den Schülerakademiekurs „Erinnerungskultur vor Ort“ im Rahmen der Begabtenförderung belegen, trafen Angehörige der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Ingolstadt. In den letzten Wochen besuchten drei jüdische Paare Ingolstadt, deren Vorfahren in den Novemberpogromen vor 84 Jahren von Nazis aus der Stadt getrieben wurden. Charlotte Janis und ihr Partner Dick Grossmann kamen bereits am Ende der Sommerferien und wurden von Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräften des Reuchlin-Gymnasiums willkommen geheißen. Ihr Vater Kurt Hermann besuchte von 1924 bis 1920 das Humanistische Gymnasium Ingolstadt (seit 1965 Reuchlin-Gymnasium). Im Gegensatz zu vielen Verwandten konnte Kurt zusammen mit seiner Frau Gertrude über Kuba in die USA flüchten. Mitte Oktober besuchte Helen Dimson zusammen mit ihrem Mann Elroy das Reuchlin-Gymnasium. Helens Vater Max Sonn war Schüler des Humanistischen Gymnasiums von 1917 bis 1926 und konnte nach England fliehen. Ihre Großeltern und andere Familienmitglieder waren von den Nationalsozialisten ermordet worden. Der Schülerakademiekurs hatte sich in einer Blockveranstaltung mit einem Stadtrundgang zu den früheren Wohnadressen der jüdischen Familien intensiv auf die Begegnung mit dem Ehepaar vorbereitet. Ende Oktober 2022 besuchte schließlich Ruben Wind das Gnadenthal-Gymnasium und anschließend das Reuchlin-Gymnasium. Seine Mutter, Edith Weinberg, war Schülerin der Gnadenthal-Schulen, bevor ihre Familie am 10.11.1938 mit einer Vorwarnung von nur zwei Stunden die Stadt verlassen musste. Für alle drei Familien gibt es seit diesem Jahr ein Temporäres Gedenkschild vor den letzten Wohnadressen in Ingolstadt: Donaustraße 6, Ziegelbräustraße 2 und Milchstraße 9. Es handelt sich hierbei um Kooperationen des Stadtarchivs mit dem Gnadenthal-Gymnasium und dem Reuchlin-Gymnasium.
Am 09.11.2022, dem Gedenktag für die Novemberpogrome, werden Mitglieder des Schülerakademiekurses ein klares Zeichen gegen Antisemitismus setzen und in den 9. und 10. Klassen kurze Erinnerungsaktionen durchführen, bei denen sie über die Begegnungen mit den Nachkommen der Vertriebenen berichten werden. Am Nachmittag werden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Schülerakademie ab 16:30 Uhr am Rundgang zu den Stolpersteinen und Temporären Gedenkschildern beteiligen, der vom Paradeplatz zur ehemaligen Synagoge in der Theresienstraße führt.
Markus Schirmer
© Reuchlin-Gymnasium Ingolstadt
Reuchlin Gymnasium
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