SCHULPROFIL
Unsere Schulphilosophie
Wir verstehen uns als eine Schule mit Kulturprofil und als Ort, an dem wir lernen, uns die Welt zu erschließen. Unsere humanistischen Wurzeln tragen uns, unsere Offenheit für Neues beflügelt uns.
Lasst uns nach gemeinsamen Werten leben und unseren eigenen Fähigkeiten vertrauen.
Wir sorgen für eine angenehme Atmosphäre in unseren Klassen. Wir schätzen Engagement, Leistung und Disziplin. Wir unterstützen einander vom Übertritt bis zum Abitur. Wir entfalten unsere Talente und Begabungen.
Lasst uns eine Umgebung schaffen, in der sich jeder wohl fühlen und reifen kann.
Wir nehmen einander als Persönlichkeiten wahr. Wir nutzen schulische Lernangebote außerhalb des Klassenzimmers. Wir ergreifen Chancen zu Selbstständigkeit und Kreativität. Wir arbeiten engagiert und vertrauensvoll zusammen.
Lasst uns achtsam mit Menschen und Dingen umgehen, die uns umgeben.
Wir zeigen uns solidarisch nach innen und offen nach außen. Wir gehen sorgsam mit unserer Umwelt und fremdem Eigentum um. Wir begegnen einander auch bei Konflikten respektvoll und aufrichtig. Wir legen Wert auf Gemeinschaft.
Lasst uns Verantwortung übernehmen und so Botschafter des Reuchlin-Gymnasiums sein.
Leitbild
Das Schulprofil des Reuchlin-Gymnasiums ist gekennzeichnet durch seine vielfältige Ausrichtung. Dafür zeichnen die Geschichte der Schule und damit auch ihr Namensgeber, Johannes Reuchlin, genauso verantwortlich wie unsere Ausbildungsrichtungen und die Schulphilosophie.
Als weiteres profilgebendes Merkmal ist hervorzuheben, dass das Reuchlin-Gymnasium Referenzschule für Medienbildung ist und damit eine mannigfaltige Medienkompetenz auch an Schulen und Schüler vermittelt.
Geschichte der Schule
Nicht nur ein baulicher Neuanfang: die Entstehung des späteren „Reuchlin“ in den 1890er Jahren
„Wenn ich mein Sprachgefühl ganz gewissenhaft erforsche, so finde ich dieses: gebildet ist, wer nicht mit der Hand arbeitet, sich richtig anzuziehen und zu benehmen weiß, und von allen Dingen, von denen in der Gesellschaft die Rede ist, mitreden kann. Ein Zeichen von Bildung ist auch der Gebrauch von Fremdwörtern, das heißt der richtige: wer in der Bedeutung oder der Aussprache fehlgreift, der erweckt gegen seine Bildung ein ungünstiges Vorurteil. Dagegen ist die Bildung so gut wie bewiesen, wenn er fremde Sprachen kann. Damit kommen wir dann auf das letzte und entscheidende Merkmal: gebildet ist, wer eine höhere Schule durchgemacht hat.“ (Friedrich Paulsen, Pädagoge, 1903)
Bildung, auch wenn man heute anderes darunter versteht als im Deutschen Kaiserreich, in dem Friedrich Paulsen lebte, diente nie nur dazu, anwendbares Wissen zu erwerben; oft war und ist sie ein Mittel der Abgrenzung nach „unten“ – eines der Selbstvergewisserung, zur gesellschaftlichen Elite zu gehören. Da sich im 19. Jahrhundert der Besuch einer „höheren Schule“ als unabdingbarer Bildungsbeleg durchsetzte, schmerzte es den ehedem ersten bayerischen Universitätsstandort Ingolstadt umso mehr, kein Prestige bringendes Gymnasium vor Ort zu haben, zumal die wachsende bürgerliche Schicht nach einer adäquaten Schule für ihre Söhne verlangte.
Immerhin gab es die fünfstufige „Königliche Lateinschule in Ingolstadt“ unter dem Subrektor Alois Mayr aus Landshut, der von 1863 bis zum Juli 1894 an der Anstalt unterrichtete und sich zusammen mit der Stadt unermüdlich für deren Aufwertung eingesetzt hatte. 110 Buben, die von 15 Lehrern unterrichtet wurden, besuchten sie im Jahr 1892. Wollten sie aber im Anschluss auf ein Gymnasium – etwa in Neuburg oder München – übertreten, mussten sie dort erst eine Aufnahmeprüfung bestehen, auch wenn sie, wie es die Stundentafel vorsah, in der Abschlussklasse von 28 Wochenstunden mit damals 50 Minuten 14 Stunden auf das Erlernen der alten Sprachen Latein und Griechisch verwendet hatten.
Doch die Weichen für eine Erweiterung waren gestellt: 1892 hatte die Stadt für 60 000 Mark ein knapp 5000 Quadratmeter großes Gartengrundstück in der „verlängerten Neubaugasse“, wie die Gymnasiumstraße in Ermangelung des heutigen Namens hieß, gekauft und ließ in den Jahren 1893 und ’94 für 200 000 Mark dort ein Schulgebäude – den jetzigen Altbau – errichten, der damit genau so alt ist wie das Berliner Reichstagsgebäude und die Tower Bridge in London; nach damaliger Kaufkraft beliefen sich die Kosten insgesamt auf umgerechnet etwa 1 612 000 Euro. Der neue „Königliche Rektor“ Ignaz Rummelsberger, der nicht müde wurde, deswegen die „große Opferwilligkeit“ der Stadt zu preisen, schließlich organisierte dann den Umzug im Schuljahr 1894/95, der mit der Umwandlung zum sechsstufigen „Königlichen Progymnasium zu Ingolstadt“ zusammenfiel, das einen nahtlosen Übertritt auf ein humanistisches Gymnasium ermöglichte und mit der „wissenschaftlichen Befähigung zum einjährig-freiwilligen Dienst“, einem Vorläufer der Mittleren Reife, abschloss. Diese Qualifikation war einerseits – wichtig in der Garnisonsstadt Ingolstadt – Voraussetzung der Offizierslaufbahn, doch konnte man mit der freiwilligen Meldung zum einjährigen Militärdienst, der dann selbst zu finanzieren war, auch die dreimal so lange Wehrpflicht umgehen, was manch bürgerlichem Sohn wohl nicht ungelegen kam.
Die Attraktivität dieses neuen Schultyps schlug sich denn auch in steigenden Schülerzahlen nieder: So besuchten 1894/95 147 Jungen das Progymnasium in seinem „neuen stattlichen Gebäude“, so Rummelsberger, davon allein 44 in der ersten (also nach heutiger Zählung fünften) Klasse, wobei das Schulgeld je nach Klassenstufe zwischen 30 und 36 Mark jährlich betrug, etwas weniger als der durchschnittliche Monatslohn eines Arbeiters, während es etwa ein Gymnasiallehrer je nach Alter auf 175 bis zu 350 und ein Regimentskommandeur auf maximal 880 Mark monatlich brachte. Ganz problemlos ließen sich die Buben aber wohl nicht beschulen: Vorrangiges Ziel des Deutschunterrichts für die unterste Klasse war, sie „mit besonderer Berücksichtigung einer deutlichen, möglichst dialektfreien Aussprache“ im Vorlesen zu unterweisen, während der Rektor sich darum mühte, allzu ehrgeizige oder ängstliche Eltern von selbst erteiltem häuslichen Lateinunterricht abzuhalten, um vermeintlich die Startchancen ihrer Söhne zu erhöhen, und sie darauf hinwies, dass „dies für die Schüler selbst nur nachteilig ist.“
Von Dissonanzen geprägt war wohl die Einweihungsfeier des neuen Gebäudes, die, wie der Rektor Rummelsberger monierte, nur aus einem Gottesdienst bestand, „da zu einer öffentlichen Eröffnungsfeier mit musikalisch-deklamatorischen Vorträgen keinerlei Vorbereitungen getroffen worden waren.“ Auch das Maifest, damals obligatorisch im Jahresablauf der Schule und ein traditioneller Honoratiorentreff, entfiel im Frühling 1895 ersatzlos. Nach der ersten Abgangsprüfung im Juni, zu der der neuen Schule wie üblich ein beaufsichtigender Kommissär vom Münchner Maximiliansgymnasium geschickt wurde, scheinen sich die Wogen jedoch wieder geglättet zu haben.
Und schon zwei Jahre später, im September 1897, ebnete sich auf den Druck der Stadt hin der Weg zur Einrichtung einer „höheren Schule“ in Ingolstadt: Um erste organisatorische Maßnahmen zu treffen, besuchte der Regierungspräsident Ritter von Auer das Progymnasium, dem im Mai 1898 „Seine Exzellenz Herr Kultusminister Dr. Ritter von Landmann“ mit einigen Abgeordneten, Ministerialreferenten und dem Kreisbaurat folgte und der, glaubt man den rektoralen Schilderungen, voll des Lobes war: „Seine Exzellenz sprachen über den stattlichen und zweckentsprechenden Bau und über die Errichtung der Anstalt ihre vollste Zufriedenheit aus.“ Ab dem Schuljahr 1898/99 logierte dann im damaligen Neubau und heutigen Altbau das bald neunstufige „Königliche Humanistische Gymnasium Ingolstadt“, das heutige „Reuchlin“, das 1901 seine ersten Abiturprüfungen abnahm und Ingolstadt damit nach dem Wegzug der Universität wieder zu einem Bildungsstandort machte – denn, um auf Pauli zurückzukommen, „gebildet ist, wer eine höhere Schule durchgemacht hat.“ Das Bemühen, einem weniger exklusiven und ständischen Bildungsanspruch als dem der 1890er Jahre gerecht zu werden, verkörpern dann freilich erst spätere An- und Umbauten – und nicht zuletzt der transparente, zur Straße hin geöffnete Neubau des 21. Jahrhunderts.
Johannes Reuchlin - ein Vorkämpfer religiöser Toleranz
Johannes Reuchlin (1455–1522), ein Mann „von ganz untem aus dem Volk“, wie er es selbst einmal formulierte, gilt als einer der großen Humanisten Deutschlands mit einer ungewöhnlich steilen Karriere: Schon als Jugendlicher, als Schüler und Student, war er neugierig auf die Welt und ihr Wissen, und so hielt es ihn nie lange an einem Ort, sondern er wechselte immer wieder die Universität, um die großen Gelehrten seiner Zeit zu hören, neue Menschen und mit ihnen neue Gedanken kennenzulernen. Sein Interesse für die Philosophie, für die Wissenschaft vom Recht und vor allem für die von ihm so geliebten Alten Sprachen − das Lateinische, das Griechische sowie später im Besonderen das Hebräische − führte ihn nach Freiburg im Breisgau, von dort nach Paris und schließlich nach Basel, wo er nicht nur seinen ersten akademischen Titel erwarb, sondern auch sein erstes Werk, ein kleines lateinisches Wörterbuch, veröffentlichte − und da war er kaum älter als ein Abiturient heute!
Jedoch kein Grund für Johannes Reuchlin, sich auszuruhen, im Gegenteil: Weiter ging es − nochmals über Paris − nach Orléans sowie nach Poitiers und dort zum zweiten Universitätsabschluss. Dieser ermöglichte es dem jungen Mann nun auch, sein eigenes Geld zu verdienen: Denn in Stuttgart, am Hofe von Eberhard von Württemberg, konnte Johannes Reuchlin endlich seine umfangreichen Kenntnisse und alle erworbenen Fähigkeiten entfalten, als Berater dem Herzog in wichtigen Angelegenheiten Wege weisen, als Verfasser rhetorisch brillanter Reden das Publikum in seinen Bann ziehen und als Beisitzer am Hofgericht dem Recht Gehör verschaffen. Begeistert von der jungen Tübinger Universität, die Eberhard von Württemberg 1477 gegründet hatte, schrieb Reuchlin sich dort sogleich wieder als Student ein, um selbst weiterzulernen und um gleichzeitig seine Ideen von Bildung in die Praxis umzusetzen. 1492 erhob in Kaiser Friedrich III. in den Adelsstand.
Aber Johannes Reuchlin blieb jederzeit kritisch, beobachtete aufmerksam die politische Entwicklung in Württemberg, und als er diese für nicht mehr tragbar hielt, zögerte er keine Sekunde, alles aufzugeben und um Asyl zu bitten: am Heidelberger Hofe von Philipp, dem Kurfürsten von der Pfalz. Später wurde er dann in Ingolstadt zum ersten Professor für die Sprachen Griechisch und Hebräisch ernannt und konnte so noch einmal vielen jungen Menschen den für ihn wichtigsten wissenschaftlichen Grundsatz mit auf den Weg geben: „Zurück zu den Quellen!“ Die letzten Jahre seines Lebens jedoch verbrachte Reuchlin in jenen beiden Städten, die er am meisten geliebt hatte: in Tübingen und in Stuttgart.
Johannes Reuchlin war ein waschechter Italienfan: In Rom diskutierte er mit Papst Sixtus IV. über das richtige Lehren und Lernen, in Florenz traf er − wie sollte es anders sein? − berühmte Philosophen am Hof der Medici und freundete sich mit Pico della Mirandola an, dem Verfasser der Schrift „Über die Würde des Menschen“. Jede freie Minute aber verbrachte er in Bibliotheken, über wertvolle, seltene Bücher und Originaltexte gebeugt.
Doch auch in dieser ihn so faszinierenden ‚Welt des Geistes‘ bewahrte sich Reuchlin sein eigenständiges Denken, und folglich hatte er den Mut, sich auch deutlich zu distanzieren und an nicht wenigen Gelehrten scharfe Kritik zu üben, scharfe Kritik an der Ablehnung der Juden und an der Verachtung des jüdischen Glaubens. Er stand auf gegen Verfolgung und Schmähungen, er forderte laut religiöse Toleranz und den Dialog; entsprechend ließ er in seinen Hauptwerken immer Vertreter verschiedener Sichtweisen auftreten und in weisen Gesprächen miteinander diskutieren. Unterstützt von seinen zahlreichen humanistischen Freunden − neben anderen von Erasmus von Rotterdam −, prangerte Reuchlin, ungeachtet vieler Angriffe auf seine Person, vehement jedes Vorgehen gegen die Juden an, stellte sich gegen die Zerstörung ihres Kulturgutes, wandte sich gegen die Beschlagnahmung und Verbrennung ihrer Bücher. Öffentlich forderte er immer wieder, das jüdische Leben und die jüdische Literatur unvoreingenommen zu studieren.
Reuchlins Buch „Augenspiegel“, auf dessen Titelseite eine Brille zu sehen war, erschien 1511 zur Frankfurter Buchmesse – und löste einen Skandal aus: Denn in ihm pochte Reuchlin mit juristischen Argumenten darauf, dass kein Christ berechtigt sei, Andersgläubige mit Gewalt zu bekehren. Jene seien nämlich, so schrieb er, „in Dingen, die ihren Glauben betreffen, einzig ihresgleichen und sonst keinem Richter unterworfen“. In seinem letzten Werk – „Die Kunst der Kabbala“ – lobte Johannes Reuchlin die jüdische Frömmigkeit. Sein Anliegen ist heute eine Selbstverständlichkeit: dass sich ein Christ seiner jüdischen Wurzeln bewusst sein muss.
Fast zehn Jahre sollte der erbitterte Streit um Reuchlins mutige Haltung zum Judentum dauern – doch er konnte es nicht verhindern, dass die Kirchen weiter in den Sog der Judenfeindschaft gerieten. Polemische Schriften kamen gegen ihn im Umlauf und er wurde der Ketzerei beschuldigt. 1514 brannte sein „Augenspiegel“ in Köln auf dem Scheiterhaufen der Inquisition, 1520 setzte Papst Leo X. das Druckwerk gar auf den Index der verbotenen Bücher.
Johannes Reuchlin starb, ebenso berühmt wie von weiten Kirchenkreisen verachtet, am 30. Juni 1522 in Stuttgart.