Vier Gedichte (Anton Rosenstein)
Anton Rosenstein (Q12 im Schuljahr 2020/2021)
I Das Scherbengedicht
Das Glas zerbrach nach alter Weise, dass
Tausend Scherben, tausend Spitzen
Spritzen, durch das Vakuum, das sich die
Zeit nennt. Und jede Scherbe strahlt mit ihrem Licht
Und ihrer Farbe, die Welt, wie sie gesehen, vielleicht
Geschehen wird, sie war und immer ist, sie niemals war.
Die Scherben zu der Vase, dem alten Glas vereinen?
Ziemt sich nicht. Im wirren Buntspiel voll Irrlichter
Blendet sich der Sinn. Von Spitzen, Stichen zugerichtet
Liegt er dann am Boden, blind und dumm vor Sättigung:
Verheißung, nach dem einen Licht!
Doch Schatten tritt anstelle, dem, der sich die Augen
Würgt, den Kopf verdreht, die Nase krümmt. Er beißt
Sich auf den Zahn der Zeit. Er weiß nichts vom bunten Farbenkarussell.
Von Mienen, die am Boden reißen, von Meeren, die
Im Netz von Tang und Algen klar sind wie das Glas.
Wie? Kann man nur mit diesem Wissen Hand anlegen,
Mädchen küssen, weiter schreiten, als hätte nie jemand
Was getan? Doch eines sieht man immerdar in jeder
Scherbe, die man trifft. Von Licht und wirr und trüber Sicht
ein kleiner Schein, ein Widerhaken, ein rauer Spiegel,
ein bleiches, langgezogenes Gesicht.
II Wieder
Das Brennen der Kehle weist in die
Räume des brennenden Golds. Das Feuerzeug
ohne Gas,
Inmitten von knackendem Holz, im
Lodern der Kronen,
die rot im Wissen um morgen verderben.
Es spuckt,
Licht für das Aas, doch kein Licht wer sich wendet,
wendend schritt.
Totgesagt ist der Park und totgesagter
noch die Menschen, die in spielender
Gebärde sich noch kränzen.
Verrostet sind die Gesichter, und bronzen
matt ist die Haut. Versteinert die Finger.
Verraucht das Fell und sie frieren im Lodern des brennenden Laubs.
III
Die Furcht, kein Mensch zu sein,
dräut durch alle Gassen. Gitterstäbe
auf dem Fußweg zeigen den Gefangenen
das Ziel: (Heimat? Freiheit?) asphaltierte Selbstgenügsamkeit.
Die Furcht, das Maul nicht aufreißen zu können, klebt als
Klebeband auf allen Mündern, müssen
die Schweigsamen eben hungern. Nur
Menschen können essen. Moral ist für
die Tiere mit vier Beinen (gedacht aber
nicht). Nur die starken kommen in den
Garten, doch wie kommt man ins Paradies?
Das Ideal(porzellan) Mensch trägt alles,
nie seine Haut, nackt fürchtet es am
meisten: kein Mensch zu sein.
IV
Saß ich gestern noch im Licht
des breiten Stromes,
Hört ich heute noch der Fische
heimlichen Gesang,
das Plätschern: den kleinen Marsch
der Sandkörner
zum Strand, die Reise, die abgefallne Äste gingen, und da: am Fuß
des Stromes,
eine Flasche und was in ihr
stand:
Stehst du heute noch im Licht
des Stromes,
so tritt den Marsch nach
Hause an.
Sitzt du morgen noch an seinem Ufer
wirst du friern!
Lauschst du morgen noch dem Lied
verstummt es ganz!
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